1. Einleitung
Sehr geehrter Herr Präsident Müller, herzlichen Dank für diese freundliche Begrüßung!
„Die Architektur schafft den notwendigen baulichen Rahmen, in dem wir uns bewegen. Ohne Architektur wäre die menschliche Gesellschaft nicht denkbar.“
Sehr geehrte Damen und Herren, diese Worte stammen von dem Architekturkritiker und Publizisten Jürgen Tietz und sie bieten einen wunderbaren Einstieg für diese Verleihung: Denn Sie, lieber Herr Riehle, haben diesen „baulichen Rahmen, in dem wir uns bewegen“ mitgestaltet, Sie haben Industrie- und Verwaltungsbauten ebenso geschaffen wie Einkaufszentren, Sozialbauten und Sportstätten. Mit alle dem haben Sie unserer Gesellschaft, unseren Staat in allen Ausprägungen – Wirtschaft, Soziales, Verwaltung, Sport – gespiegelt und begleitet, ja, in gewisser Hinsicht erst möglich gemacht.
Aber Sie haben der Gesellschaft nicht nur die Bauten gestellt, Sie haben an der Gesellschaft auch selbst gebaut. Sie haben sich neben Ihrer großen beruflichen Belastung vielfältig ehrenamtlich engagiert und damit einen großen Baustein zu unserer Gesellschaft beigetragen. Durch diese Aufbauarbeit, durch Ihre Arbeit an einer funktionierenden Gesellschaft haben Sie sich selbst ausgezeichnet in einem höheren, in einem beispielgebenden Sinn.
So gesehen vollziehen wir heute mit der Übergabe des Bundesverdienstkreuzes nur äußerlich nach, was jeder sehen muss, der auf Sie und auf Ihr Leben sieht: Sie haben sich um unsere Gesellschaft, um unser Miteinander mehr als verdient gemacht.
2. Begrüßung
Und trotzdem, sehr geehrter Herr Riehle, tut es gut, auch das Selbstverständliche – das, was jedermann sieht – auszusprechen und Ihr allseits bekanntes Engagement öffentlich zu würdigen. Und es tut gut zu sehen, wie viele Menschen heute zu dieser Feierstunde gekommen sind, um Anteil zu nehmen, um sich mit Ihnen und für Sie über diese hohe Auszeichnung zu freuen.
Hier darf ich zunächst Ihre Ehefrau, Frau Ursel Riehle, begrüßen, die ebenso wie Sie Architektin ist. Begrüßen möchte ich weiter Herrn Oberbürgermeister Kuhn, Herrn Regierungspräsidenten Tappesser, meine Kollegen aus dem Landtag Selcuk und Poreski, sowie Ihre Familienangehörigen, Freundinnen und Freunde, die heute zu dieser Feierstunde gekommen sind: Ein herzliches Willkommen an Sie alle!
3. Das Bundesverdienstkreuz als Dank
Sehr geehrter Herr Riehle, Bundespräsident Walter Steinmeier hat Ihnen das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Das – allgemein so bezeichnete – „Bundesverdienstkreuz“ ist Menschen vorbehalten, die Großes für das Gemeinwohl geleistet haben. Für Menschen, die besondere Leistungen auf politischem, wirtschaftlichem oder sozialem Gebiet erbracht und die sich damit um Deutschland verdient gemacht haben. Sie, sehr geehrter Herr Riehle, sind so ein Mensch!
Lassen Sie mich daher in meiner Laudatio Ihr ehrenamtliches Engagement und einige wenige biographische Punkte ansprechen und sehen Sie mir dabei nach, dass ich vieles kürzen und manches weglassen muss, weil sich meine Laudatio ansonsten bis in die späte Nacht hinziehen müsste!
4. Verdienste
a. Herkunft und Lebensphilosophie
Lieber Herr Riehle, lassen Sie mich Ihr Wirken ausgehend von Ihrem Elternhaus und ihrer Lebensphilosophie entfalten. Denn schnell wird sich zeigen, dass ihr berufliches und ehrenamtliches Engagement auf Grundsätzen ruht, die sie schon früh herausgebildet haben. Schon Ihr Vater war Architekt und führte seinen Betrieb, wie Angehörige der Kriegsgeneration Betriebe eben führten: eher autoritär und im Alleingang. Keine Arbeitsteilung und kein Verteilen der Verantwortung auf mehrere Schultern.
In Abgrenzung zu diesem Führungsstil und Habitus entwickelten Sie schon früh den Grundsatz, der – wie Sie einmal sagten – zum roten Faden Ihres Lebens werden sollte: Den Teamgedanken. Denn Sie hatten gerade auch vor den großen und wachsenden Herausforderungen, die der Architektenberuf mit sich bringt, erkannt, dass ein einzelner alles das kaum mehr würde stemmen können: Denn so unterschiedlich die Anforderungen des Berufes sind, so unterschiedlich sollten auch die Persönlichkeiten und Kompetenzen sein: Betriebswirtschaft, Bautechnik, Baustatik, Öffentlichkeitsarbeit und Akquise, Kunst und Design, Überwachungsaufgaben des Bauträgers: alles das stellt ganz unterschiedliche Anforderungen an den Architekten. Und Ihre Antwort darauf war: Teamarbeit, Verteilung von Verantwortung mit konkreten Zuständigkeiten: Einer ist für seine Sache zuständig, nicht alle für alles. Der Erfolg hat Ihnen schließlich Recht gegeben, denn statt der 20 Mitarbeiter, die Ihr Vater einst beschäftigte sind es nun 200.
b. Beruf
Angefangen hat alles spätestens im Jahr 1991, als Sie zusammen mit Gerhard Loew die Sozietät „Riehle + Partner“ gründeten. 1994 stieß Jochen Kühl zu Ihren Projekten dazu und 1995 schließlich Thorismuth Gaiser. Nach einer ganzen Reihe von Erweiterungen und Wandlungen haben Sie schließlich im Jahr 2016 Ihre Projekte in der „Riehle + Assoziierte GmbH Co. KG“ gebündelt und stets zusammen mit Ihren Partnern die Leitung inne gehabt. Die Schwerpunkte Ihrer Arbeit waren und sind neben Industriebauten, Sportstätten und Shoppingimmobilien eben auch öffentliche Bauten.
Und so kam es, dass auch wir beide – und daran erinnere ich mich gerne zurück – auf ein gemeinsames Projekt zurückschauen können. Auf meinen Wunsch – seinerzeit als Landtagspräsident – übernahmen Sie den Vorsitz über das Preisgericht, als wir die Sanierung des Landtags in Angriff nahmen, ebenso als wir das neue Besucherzentrum planten. Sie haben es sehr gut verstanden, das Preisgericht auf eine einheitliche Linie zu führen und die besten Vorschläge auszuwählen – die Umgestaltung des Landtages trägt damit auch Ihre Handschrift und wenn die Bürgerinnen und Bürger sich heute im Haus des Landtages wohl fühlen, dann ist das auch Ihr Verdienst. Man könnte sagen, Ihr Verdienst um die Demokratie. Sie haben dabei Ihre große Kunst gezeigt, Preisgerichte – tatsächlich handelt es sich ja um Gremien mit 40, 50 Mitgliedern – zusammen und in aller Regel auch zu einstimmigen Voten zu führen. Das ist nicht einfach, aber das ist Ihre besondere Gabe und das erklärt, weshalb Sie ein mehr als gefragter Vorsitzender von Preisgerichten, ja, wenn man so will, der Vorsitzende Richter der Preisgerichte im Lande.
Lieber Herr Riehle, so sehr sich Ihre Herangehensweise in vielen Fragen von der Ihres Vaters unterschieden hat, so sind Sie seinem Beispiel doch in einem Punkt gefolgt: Ihr Vater hat sich zu seinem 65. Geburtstag aus der Geschäftsführung seines Architekturbüros zurückgezogen und damals Ihnen die Geschäftsführung übergeben. Diesem Beispiel sind Sie inzwischen gefolgt und haben zum Jahreswechsel 2018/2019 nunmehr Ihrerseits Ihre leitende Stellung an Ihren Sohn Hannes übergeben. Er leitet nun gemeinsam mit seinen Partnern die Geschicke der „Riehle + Assoziierte GmbH“. Sie haben damit etwas geschafft, voran viele – gerade auch in meinem Beruf – scheitern, denen die Kraft fehlt, die Kraft zum richtigen Zeitpunkt loszulassen. Denn zu einer wirklich überzeugenden Leistung am Hochreck des Berufslebens gehört eben auch ein sicher gestandener Abgang. Und der ist Ihnen gelungen.
c. Architektur
Wenn man eine Laudatio auf einen berühmten Architekten halten darf, dann steht alsbald die Frage im Raum: Was war denn „seine Architekur, was war seine Handschrift, mit der er sich ein Denkmal gesetzt hat?“ Ich will diese Frage eigentlich gar nicht beantworten, sondern Ihr ein Zitat von Wittgenstein entgegenhalten: „Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Architekten besteht heute darin, dass dieser jeder Versuchung erliegt, während der rechte ihr standhält.“
Was will Wittgenstein uns sagen? Ich denke, er will uns sagen, dass ein guter Architekt ein Architekt ist, der sich selbst beschränken kann. Ein Architekt, der sich nicht im Rausch der Schnörkel und Erker selbst produziert und den baulichen, den historischen, den materiellen Kontext seines Werkes gering schätzt.
Lieber Herr Riehle, ich bin mir sicher, auch im Sinne von Wittgenstein sind Sie ein „guter Architekt“. Denn Ihnen ging es bei Ihrer Architektur nicht um Selbstverwirklichung, Ihnen ging es – wie Sie sich ausgedrückt haben – um eine „wohlbegründete Architektur“. Das heißt um eine Architektur, die „zuhört“, die sich einfügt in den geschichtlichen, den räumlichen Kontext; die nicht zu laut ist und die sich vor allem aus ihrer Funktion heraus und den Bedürfnissen der Menschen entwickelt. Daraus ergibt sich auch, dass Ihre Architektur wert legt auf klare Strukturen, nicht dem Diktat des Zeitgeists folgt, modern ist, aber nicht modernistisch. Kurz: eine Architektur die den Anforderungen vor Ort gerecht werden will und nicht das Ego des Architekten in Stein haut.
Wenn wir alles das zusammen nehmen, dann möchte ich Ihre Architektur als responsiv, als einfühlend bezeichnen und damit setzen Sie sich sehr angenehm von manch anderem Architekten ab.
d. Ehrenamt
Lieber Herr Riehle, lassen Sie mich nun in einigen groben Strichen Ihr ehrenamtliches Engagement nachzeichnen, in das Sie nach Ihren eigenen Worten nolens volens „hineingerutscht“ sind. Für das Ehrenamt waren Sie empfänglich, weil in Ihnen, auch das sind Ihre eigenen Worte, ein „Hunger“ nach anderen Dingen, als dem eigenen Architekturbüro „gewachsen war“. Und auch das ist Ausdruck Ihrer Offen- und Aufgeschlossenheit, dass Sie sich nicht verbissen in ihrem Beruf verkämpften, sondern die Kraft hatten, den Blick zu weiten und ganz andere Herausforderungen anzunehmen.
Einen Schwerpunkt bildetet dabei Ihr Engagement in der Architektenklammer Baden-Württemberg. Seit 1990 haben Sie Ihren Sachverstand und Ihre Tatkraft in den Dienst Ihres Berufsstandes gestellt und sind zwischen 1998 und 2014 als Präsident der Landesarchitektenkammer zur Stimme der Architekten bei uns im Südwesten geworden. Dass Sie bei Ihren Wiederwahlen in dieser Zeit ohne Gegenstimmen im Amt bestätigt wurden, zeigt gerade mir als Politiker ziemlich sicher, dass der Grad der Zufriedenheit mit Ihnen schwindelerregende Höhen erreicht haben muss. Ein Grund hierfür lag sicherlich wieder in Ihrem teamorientierten Führungsstil und Ihrer vorhin angesprochenen Fähigkeit, gegensätzliche Position zusammenzuführen. Dazu kommt, dass sie vorausschauend die richtigen inhaltlichen Akzente gesetzt haben.
Sie haben mit Projekten wie „Architektur macht Schule“ auch die junge Generation angesprochen und für architektonische Aspekte sensibilisiert. Überhaupt die Jugend: auch in der von Ihnen mitgegründeten „Stiftung Präventive Jugendhilfe“ in Tübingen kümmern Sie sich um die junge Generation. Man könnte sagen: Ihr Einsatz für die Jugend hat Sie selbst auch immer jung gehalten.
e. Europa
Sehr geehrte Damen und Herren, als Europaminister kann ich sozusagen nicht aus meiner Haut – das gilt auch heute bei dieser Laudatio. Deshalb habe ich – Sie mögen es mir nachsehen – selbst den heutigen Ordensprätendenten auf Europäische Bezüge abgeklopft und siehe: ich bin fündig geworden. Denn Sie, lieber Herr Riehle, sind ein überzeugter Europäer und damit für mich als Europaminister ein Musterbeispiel für gelebtes Eurpäertum. Das gilt umso mehr, als dass unsere europapolitischen Standpunkte – wie ich gleich zeige – bemerkenswert nahe beieinander liegen. Vor allen europapolitischen Standpunkten gilt aber, dass Europa gelebt und nicht „bekannt“ werden muss. Denn je selbstverständlicher Europa wird, desto weniger muss darüber gesprochen werden, wir brauchen in erster Linie Europäer der Tat und nicht der Worte.
Für Sie, lieber Herr Riehle, ist Europa ein ganz selbstverständlicher Teil Ihres Lebens, Ihres Alltags. Begünstigt durch Ihr Sprachtalent, sie sprechen fließend englisch und französisch, unterhalten Sie – auch über den Lionsclub – eine Vielzahl persönlicher Kontakte in das europäische Ausland.
Im Übrigen ergibt sich Ihre Haltung zu Europa ganz zwangslos aus dem roten Faden Ihres Lebens, dem Teamgedanken: Die Herausforderungen einer globalisierten Welt verlangen nach Zusammenschlüssen, die Antworten der Nationalstaaten sind teils zu klein für die großen Zukunftsfragen, die sich uns stellen: Umgekehrt heißt der Teamgedanke nicht Uniformität, nicht Gleichmacherei: Man schließt sich in Teams zusammen, gerade weil unterschiedliche Stärken, Kompetenzen, Neigungen bestehen! So haben Sie es in Ihrer Sozietät gehalten und so soll es auch für Europa gelten. Das hat sich immer auch in Ihrer Architektur gespiegelt, genau das entspricht auch Ihrer Vorstellung von einer europäischen Baukultur:
Es geht nicht darum, das Städtchen auf der Alb oder das Dorf in der Bretagne nach dem gleichen Chic der Europäischen Großstädte durchzustylen. Es geht in Europa nicht um Uniformität, es geht um Authentizität, es geht auch hier um eine responsive Architektur, wie Sie sie pflegen. Und dazu gehört, dass man sich in den spiritus loci einfühlt, nach der Geschichte eines Ortes fragt, nach seiner Umgebung, Landschaft, die sie bestimmenden Farben und Formen und so die Architektur einpasst. Dazu gehört, dass man Kulturdenkmäler erhält und den architektonischen Charakter einer Region bewahrt – so wie Sie dies als Mitglied des Kuratoriums der Denkmalstiftung Baden-Württemberg. Dazu gehört aber auch, dass man mit der Umwelt, in die Architektur einerseits eingreift, die andererseits durch Architektur auch positiv gestaltet wird, schonend umgeht. Nachhaltigkeit und nachhaltiges Bauen beschäftigt Sie in vielfältiger Weise und zeigt erneut, dass Sie in Ihrem Schaffen auf das „zusammen schaffen“ Wert legen. Dass sich der Gedanke der Achtsamkeit gegenüber dem Bestehenden tatsächlich wie ein roter Faden durch Ihr ganzes Wirken zieht. Sei es im Beruf, im Ehrenamt, in der Architektur oder in Europa.
5. Dank an Frau Riehle
Lieber Herr Riehle, lassen Sie mich noch auf einen Menschen zu sprechen kommen, den, oder vielmehr die, ich bislang viel zu wenig erwähnt habe: Ihre Ehefrau!
Sehr geehrte, liebe Frau Riehle, häufig wird in Reden zum Ruhm der Ehefrau die etwas angestaubte Weisheit angeführt, von der starken Frau, die hinter jedem großen Manne stehe. Hier aber passt das nicht so ganz – und das aus einem sehr schönen Grund: Denn auch Sie haben sich engagiert, haben als Architektin gearbeitet und Vieles bewegt, bevor Sie gemeinsam mit Ihrem Mann in den Unruhestand getreten sind. Und deshalb stehen Sie auch nicht – wie es der Volksmund will – versteckt hinter Ihrem Mann, sondern Sie stehen gleichberechtigt neben ihm! Ich denke, das ist mit das Beste, was man über eine Partnerschaft und Ehe sagen kann! Und deshalb dürfen Sie sich mit der heutigen Auszeichnung Ihres Ehemannes auch gleich mitgeehrt fühlen!
6. Ordensübergabe
Lieber Herr Riehle, jetzt kommen wir zum wirklich feierlichen Teil. Ich darf Ihnen nun für Ihre Leistungen das Bundesverdienstkreuz überreichen und Ihnen zugleich zu dieser hohen Auszeichnung gratulieren! Denn wenn im Sinne des Eingangszitats gilt, dass ohne Architektur die menschliche Gesellschaft nicht denkbar wäre, dann muss erst recht gelten, dass unsere menschliche Gesellschaft nicht ohne soziale Architekten möglich wäre, wie Sie einer sind! Dafür und für Ihr beeindruckendes Lebenswerk: Herzlichen Dank!