In der aktuellen Debatte über das Einfamilienhaus sehen Architekten auch eine Chance, die Aufmerksamkeit für die gebaute Umwelt zu schärfen.
Nikolai B. Forstbauer
Das hätte sich Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, kaum träumen lassen: dass Interviewallerweltssätze über das mögliche Glück, aber auch manch zu beachtende negative Begleiterscheinung beim Bau von Einfamilienhäusern ein Medienlagerfeuer entzünden würden.
In irreführender Verkürzung des Gesagten wurde Hofreiter zum Einfamilienhausfeind, sahen sich die Grünen über Nacht in der Rolle der Verbotspartei. So oder so – manch hitziger Wortbeitrag wirkt nach. Grund genug, einmal bei Architekten nachzufragen, wie sie das Thema Einfamilienhaus sehen.
Wolfgang Riehle, früherer langjähriger Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, sagt in typischer Klarheit: „Das Einfamilienhaus ist eine von vielen unterschiedlichen Wohnformen, die unsere pluralistische Gesellschaft glücklicherweise ausmachen.“ Und: „Eine generelle Verhinderungsdiskussion springt – trotz aller berechtigten Kritikpunkte – zu kurz, denn das von vielen als Lebenstraum angestrebte Einfamilienhaus hat nicht nur für junge Familien unschätzbare Vorteile, die sich einmal mehr in der aktuellen Pandemie als segensreich erwiesen haben.“ Agiert Riehle von Reutlingen aus, hat Frank Ludwig sein Büro in Stuttgart. Er zeigt gerne, was geht, wenn alle Beteiligten wirklich wollen. Vor allem in Bauträgerprojekten. „Wissen Sie“, sagt Ludwig, „es wäre schön, wenn man sich bei Bauträgerprojekten bis hin zu deren Beurteilung mehr mit deren Qualität, mit dem Gebäude insgesamt und mit Details beschäftigte.“
Ganz anders bei Einfamilienhäusern. „Da haben alle leuchtende Augen“, sagt Ludwig – „auch, wenn das Haus nicht toll ist.“ Wirkt sie also immer noch und immer wieder, die Magie Einfamilienhaus? „Ein solches Projekt“, sagt Ludwig – aktuell mit einem Einfamilienhausbau in Stuttgart betraut – „ist einfach eine wunderbare Aufgabe“. Warum? „Wer als Privatmann ein Einfamilienhaus baut, will ein tolles Haus – das ist das Schöne“, sagt Ludwig.
Und was ist mit Themen wie Flächenverbrauch und Energieeffizienz? „Außerhalb der Stadt“, sagt Ludwig, „wird das Thema Einfamilienhaus weiter enorm hohe Bedeutung haben.“ Zugleich ist sich Ludwig sicher, dass die Frage der Energieeffizienz die beliebten großen Glasfronten bald zu Sinnbildern der Vergangenheit machen wird. „Das wird sich total ändern“, sagt er.
Während die Architektur aus dem Büro Ludwig den eigenen Auftritt gerne baulich unterstreicht, setzen die Stuttgarter Innenarchitektin Cathrine Schauer und ihr Mann, der Architekt Daniel Schauer, auf eine andere Form der Wiedererkennbarkeit ihres Büros – auf Zurückhaltung. Vielleicht gerade deshalb haben Schauer-(Einfamilien-)Häuser eine eigene, eine unbedingte Konsequenz. „Man kann“, sagt Cathrine Schauer, „mit einem Einfamilienhaus einfach viel mehr erreichen.“ Das eingelöste Sinnbild „maximaler Freiheit“ sporne Bauherren wie Architekten gleichermaßen an.
Ein Stück mehr von dieser beidseitigen Intensität wünscht sich Cathrine Schauer auch und gerade für den Siedlungsbau. Das Modell der Baugemeinschaften sieht sie hier lange nicht ausgereizt. Klar sei aber auch: Ohne öffentliche Förderung seien Baugemeinschaften gegenüber Bauträgern nicht konkurrenzfähig. Sie könnten jedoch weit eher positive gestalterische Akzente setzen.
Ein Stück Eigenheim, entwickelt in der Gruppe, als Hebel für mehr Achtsamkeit in Sachen gebauter Umwelt? Wolfgang Riehle bleibt nüchtern: „Der Trend zu Tiny Houses und Wohnmobilen ist für mich geradezu der Beweis für die Sehnsucht nach Individualität und damit für die Unverzichtbarkeit auch von Einfamilienhäusern.“ Ob richtige oder falsche Zitate – das Einfamilienhaus bleibt ein Debattenthema.